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Eine gute Zeit lang waren Achim und ich wie Brüder: Keins unserer Lieder, das nicht auf einem realen gemeinsamen Erlebnis basierte. Ich weiß nicht, wieviele dieser Zeichen unserer verbindenden Trotz-alledem-Haltung verschollen und verloren gegangen sind. Aber ich bin überzeugt davon, dass sich die wenigen erhaltenen Stücke nicht nur ihres dokumentarischen Wertes wegen über die Jahrzehnte hinweg behaupten konnten.
Joachim Schäfer war ein Meister der Form, besessen von Perfektion und Tiefe. Offenbar hatte er eine Aversion gegen das Banale. Das machte sein Chanson schwer, und auch schwer verdaulich. Aber wenn er begann, sich in die Herzen zu singen, hinterließ er tief liegende Widerhaken. Und ein warmherziger Beifall war ihm sicher.
„Achim Schäfer hat wie niemand in der Leipziger Szene mit allem was er tat, unbeirrbar den Menschen, sein Trachten, sein Fühlen und seine Sehnsüchte hochgehalten. Wenn man im Abstand von dreißig Jahren darauf zurückschaut, kommt es einem vor, als hätte es für ihn so etwas Kleines wie DDR-Realität, die jeder Liedermacher bedichtet und besungen hat, gar nicht gegeben. Das bewundere ich. Ich glaube, so eine Haltung zu leben, muss man sich sehr lieben.“
„Leben bis ganz an den Rand“ – nach dieser Liedzeile benennt Schäfer sein neues Programm. Was ist gemeint mit diesem „Rand“? Die unsichtbare Grenze zwischen Norm und Anderssein, zwischen Anstand und Unanständigkeit, zwischen „macht man“ und „macht man nicht“. So ist überall „Rand“. Die einzige Möglichkeit, jenen „Rand“ herauszufinden, ist, ihn zu überschreiten. Die heilige Unvernunft wider „besseres“ Wissen ins Maßlose vorzustoßen ... Das sind wichtige Lieder. Gut, daß wir sie haben. Durch ihr gedankliches und musikalisches Format entziehen sie sich kleinlicher Kritik. Sie strahlen ein lebenswertes, konkretes Menschsein aus, von dem man gern ein Stück aus dem Konzert mitnimmt. Sie trösten, ohne beschönigend zu sein. So widerlegen sie die verbreitete Ansicht, Mut-Machen habe etwas mit aufgesetztem Optimismus zu tun.“
© Sabine Heide Schäfer 2024